Steigende Baukosten, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Kosten für Dekarbonisierungsmaßnahmen: Wohnungsunternehmen stehen vor vielseitigen Herausforderungen. Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten, beschäftigen sich viele Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen und Value-Add-Strategien. Aber was versteht man darunter, was sind Beispiele und welche Vorteile haben diese Vorgehensweisen? Diese Fragen klären wir in diesem Blogartikel.
Vor vier Jahren hat Deloitte im Rahmen einer Erhebung im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 19 Wohnungsunternehmen zu ihrem Zielbild für 2025 befragt. Die Befragten gehören zu den Top 20 der größten Wohnungsunternehmen und decken zudem auch mittelständische Unternehmen ab.
Das Ergebnis: Knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen gaben damals an, eine Value-Add-Strategie konzipiert oder implementiert zu haben oder dies mindestens bis 2025 zu beabsichtigen. Großes Potenzial sehen die Unternehmen 2021 insbesondere in neuen Quartiers- und Mobilitätskonzepten und dem zielgruppengerechten Servicewohnen. Aber gehen wir einen Schritt zurück: Was sind eigentlich Value-Add-Strategien?
Definition: Was sind Value-Add-Strategien?
Value-Add-Strategien im Wohnungsmarkt bezeichnen gezielte Maßnahmen zur Wertsteigerung von Bestandsimmobilien durch Modernisierung, Umnutzung oder aktives Asset-Management. Wohnungsunternehmen nutzen diese Strategien, um Mieteinnahmen zu optimieren, neue Einnahmequellen zu erschließen, Betriebskosten zu senken, eine bessere ESG-Bilanz zu erzielen und die Attraktivität ihres Portfolios langfristig zu sichern.
Die Maßnahmen bei Value-Add-Strategien können typischerweise in vier Bereiche eingeteilt werden:
- Energetische Sanierungen (z. B. Dämmung, Wärmepumpen, Photovoltaik)
- Optimierung der Flächennutzung (z. B. Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum, Aufstockung von Gebäuden)
- Technologische Modernisierungen (z. B. Smart-Home-Lösungen, digitale Mietverwaltung)
- Schaffung von neuen Wohnkonzepten (z. B. Co-Living, Mixed-Use-Immobilien)
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4 Gründe warum Value-Add-Strategien jetzt so wichtig für Wohnungsunternehmen sind
Wie anfangs gesagt waren Value-Add-Strategien bereits 2021 ein wichtiges Thema für den Markt, trotzdem gibt es momentan einige Entwicklungen, die dafür sorgen, dass die Gespräche und Ansätze gerade 2025 nochmal an Fahrt aufnehmen.
#1 Mangel an bezahlbarem Wohnraum
Der erste Faktor ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die steigende Nachfrage. Viele Städte haben zu wenig Wohnraum, während die Nachfrage aufgrund von Urbanisierung, Zuzug und steigenden Haushaltszahlen weiter wächst. Konkret erhöhten sich die Mieten in Deutschland zwischen 2010 und 2022 um 50 %, in größeren Städten sogar um bis zu 70 %. Die Angebotsmieten in Berlin verdoppelten sich so von 2014 bis 2023 nahezu, von 8,10 € auf 16,35 € pro Quadratmeter.
Value-Add-Strategien ermöglichen es Wohnungsunternehmen, den vorhandenen Raum besser zu nutzen und so weiterhin sozialverträglichen Wohnraum bereitzustellen.
📌 Beispiel: Ein ehemaliges Bürogebäude wird in Mikro-Apartments umgewandelt, um den Bedarf an kleineren, bezahlbaren Wohnungen zu decken.
#2 Hohe Bau- und Finanzierungskosten
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit Juli 2022 den Leitzins mehrfach angehoben, um der steigenden Inflation entgegenzuwirken. Dies führte zu einem Anstieg des Leitzinses von 0 % auf 4,5 % im September 2023. Im Juni 2024 erfolgte eine Senkung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 %. Trotzdem ist durch hohe Material- und Baukosten sowie den gestiegenen Zins der Neubau vieler Wohnprojekte nicht mehr wirtschaftlich.
Value-Add-Strategien bieten eine effizientere Möglichkeit für Wohnungsunternehmen, den Wert bestehender Gebäude zu steigern, anstatt teure Neubauten zu finanzieren, da Umbaumaßnahmen in Form von Value-Add-Strategien kostengünstiger sind.
📌 Beispiel: Statt neu zu bauen oder umfassende kapitalintensive Sanierungsarbeiten an der Gebäudehülle vorzunehmen, setz ein Wohnungsunternehmen auf Wärmeerzeuger-Tausch und Photovoltaik – ein günstigerer Weg zur Wertsteigerung.
#3 Strengere ESG- und Klimaregulierung
Viele Bestandsimmobilien sind energetisch nicht mehr zukunftsfähig und müssen saniert werden, um in den nächsten Jahren weiter vermietet werden zu dürfen. Zwar gibt es gerade im Bereich Klimaschutz viele Unsicherheiten in der Politik, die Leitgesetze der EU wie die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) stehen aber fest. Es ist also klar, dass an dem Ziel “Klimaneutral 2045” auch durch die deutsche Gesetzgebung nicht mehr gerüttelt werden kann.
📌 Beispiel: Ein Wohnungsunternehmen rüstet ältere Gebäude mit Wärmepumpen und Solaranlagen nach, um Heizkosten zu senken und die CO₂-Bilanz zu verbessern.
#4 Veränderte Wohnbedürfnisse & neue Nutzungskonzepte
Im Jahr 2023 arbeiteten 23,5 % aller Erwerbstätigen in Deutschland zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Vor der Pandemie, im Jahr 2019, lag dieser Anteil noch bei 12,8 %. Flexibles und nachhaltiges Wohnen wird deshalb immer wichtiger: Smarte, energieeffiziente und anpassungsfähige Wohnungen sind gefragt. Work-from-home-Trends erfordern neue Konzepte für Wohngebäude wie zum Beispiel Co-Working-Spaces und gemeinschaftliche Flächen. Außerdem gewinnen Mixed-Use-Konzepte (z. B. Wohnen + Einzelhandel + Gastronomie) an Bedeutung.
Diese Trends sind momentan vor allem in großen Städten zu sehen, nehmen aber auch Deutschlandweit zu. Mieter und Mieterinnen haben andere Ansprüche an Wohnflächen als noch vor 20 Jahren. Das gilt für die Wohnfläche selbst, aber auch für den Service vom Wohnungsunternehmen zu Mieter, weshalb die Digitalisierung vom Mieterservice einer der wichtisten Trends der letzten Jahre war.
📌 Beispiel: Ein großes Wohnquartier wird mit Gemeinschaftsräumen und flexiblen Arbeitsflächen ergänzt, um den veränderten Wohnbedürfnissen gerecht zu werden.
5 Vorteile von Value-Add-Strategien
Viele der Vorteile der Value-Add-Strategien ergeben sich bereits aus den oben genannten Auslösernkmmm und Beispielen. Im Folgenden finden Sie aber nochmal 5 zentrale Vorteile zusammengefasst.
#1 Erhöhung der Mieteinnahmen und Rendite
Wohnungsunternehmen profitieren durch gezielte Investitionen in Immobilien, die es ihnen ermöglichen, höhere Mieten zu verlangen. So können beispielsweise durch energetische Sanierungen (z. B. bessere Dämmung, moderne Heizsysteme) Betriebskosten gesenkt werden. Dadurch steigt die Attraktivität für Mieter, und das Unternehmen kann je nach Lage der Wohnung entweder sozialen Wohnraum sichern, Mieten für eine höhere Rendite anheben oder durch PV-Strom zusätzliche Einnahmen generieren.
#2 Werterhalt und Wertsteigerung des Immobilienportfolios
Eines der größten Probleme der Wohnungsunternehmen ist, dass Gebäude ohne kontinuierliche Modernisierung ständig an Marktwert verlieren und so langfristig zu sogenannten Stranded-Assets werden. Gebäude mit schlechter Energieeffizienz werden so beispielweise unattraktiv für Investoren und Mieter. Value-Add-Strategien können sicherstellen, dass Ihr Portfolio langfristig attraktiv bleibt.
💡 Definition Stranded Assets: Stranded Assets in der Wohnungswirtschaft sind Immobilien oder Gebäudebestände, die aufgrund externer Veränderungen an Wert verlieren oder wirtschaftlich unrentabel werden. Sie entstehen vor allem durch striktere Klimaschutzvorgaben, veränderte Marktbedingungen oder technologische Entwicklungen. Eine Umfrage von 2022 ergab, dass rund 65 % der Immobilien-Asset-Manager die Gefahr als hoch einschätzen, dass ältere Gebäude in die Energieeffizienzklasse F oder schlechter abrutschen und somit zu Stranded Assets werden könnten. Die Experten gaben außerdem an, dass 25 bis 50 % ihrer Bestände potenziell betroffen sind.
#3 Anpassung an veränderte Markt- und Nachfragetrends
Die Nachfrage nach Wohnraum verändert sich – beispielsweise durch Urbanisierung, veränderte Arbeitsmodelle oder den Wunsch nach nachhaltigem Wohnen. Neue Konzepte machen Wohnungen attraktiver für junge Zielgruppen und stellen sicher, dass Wohnungsunternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Unter diesem Punkt fallen auch die bereits 2021 in der Deloitte Umfrage hoch bewerteten Quartiers- und Mobilitätskonzepten sowie zielgruppengerechtes Servicewohnen.
Die Wohnungswirtschaft gab damals schon an vermehrt dem individuellen Kundenlebenszyklus entsprechende Services (proaktives Wohnraumangebot bei familiärer Veränderung, medizinische oder pflegerische Services, haushaltsnahe Dienstleistungen etc.) in ihr Portfolio aufnehmen zu wollen – sei es durch strategische Allianzen oder den Aufbau eigener Kompetenzbereiche.
#4 ESG-Konformität und nachhaltige Investitionen
Value-Add-Strategien können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen die von der Politik vorgegebenen Ziele zum Klimaschutz einhalten. Der Einbau von Wärmepumpen reduziert so beispielsweise den CO₂-Ausstoß und verbessert die ESG-Bewertung. Der Aufbau von PV-Anlagen ermöglicht parallel die Erschließung neuer Einnahmequellen durch innovative Geschäftsmodelle wie das Mieterstrom-Modell oder die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Zudem gewinnt die Immobilie an Attraktivität und der Vermieter profitiert von neuen Zahlungsflüssen.
Ein Beispiel, wie die Umsetzung solcher Konzepte aussehen kann liefert die gwg wuppertal. Mit der Klimastrategie gelingt dem Unternehmen eine Reduktion von über 11.000 Tonnen CO2-Austoß hin zu lediglich 18 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr. Der Fokus liegt dabei auf Wärmedämmung, Anlagentechnik und Ökostrom.
#5 Risikoreduzierung und Diversifikation
Wohnungsunternehmen hatten lange ein Kerngeschäft - das Vermieten. Die Zeit des reinen Vermietens ist aber vorbei, sagte Oliver Zier, Geschäftsführer der gwg wuppertal bereits 2024 im Interview. Statt “nur” zu vermieten, müssen Wohnungsunternehmen jetzt an die Diversifikation des Portfolios denken, um weniger Abhängigkeit von einzelnen Immobilien oder Marktsegmenten zu haben.
2 Beispiele für Value-Add-Strategien: Umnutzung & Mieterstrom
Einige Beispiele für Value-Add-Strategien haben wir jetzt bereits erwähnt. Lassen Sie uns zwei der Möglichkeiten nochmal genauer betrachten.
#1 Umnutzung und Neupositionierung:
Diese Strategie beinhaltet die Umwandlung einer bestehenden Immobilie in eine Nutzungsform mit höherem Marktwert. Oft geht es darum, Objekte an veränderte Nachfragebedingungen anzupassen. Angenommen, eine Immobilie in der Innenstadt war ursprünglich als Bürogebäude genutzt, aber aufgrund von Homeoffice-Trends stehen viele Flächen leer. Hier könnten Flächen in Wohnraum umgewandelt werden, wenn die Nachfrage nach Wohnraum in dem Gebiet hoch ist.
▶️ Vorteil: Die Immobilie wird für eine zahlungskräftige Zielgruppe attraktiver und kann mit höheren Mieten neu am Markt platziert werden.
▶️ Praxisbeispiel: Ein großes Kaufhaus in einer mittelgroßen Stadt hat an Attraktivität verloren, da der stationäre Handel rückläufig ist. Stattdessen wird es in ein Mixed-Use-Gebäude umgewandelt, das im Erdgeschoss Gastronomie und Co-Working-Spaces bietet und in den oberen Etagen Apartments beherbergt.
Ein bemerkenswertes Praxisbeispiel für die erfolgreiche Umwandlung eines ehemaligen Kaufhauses in ein Mixed-Use-Gebäude ist so das NEO in Leipzig. Nach der Schließung des Karstadt-Warenhauses im Februar 2019 wurde das historische Gebäude umfassend renoviert und neu konzipiert. Seit Dezember 2024 beherbergt es auf rund 10.000 Quadratmetern eine Mischung aus Einzelhandel, Gastronomie und Büroflächen. Im Untergeschoss wurde ein REWE-Markt eröffnet, während die oberen Etagen für moderne Büroflächen genutzt werden. Ein besonderes Highlight ist der geplante Dachgarten, der für Veranstaltungen vorgesehen ist.
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#2 Modernisierung und Mieterstrom:
Auf der ersten Ebene werden Immobilien mit einer Modernisierung gezielt aufgewertet, um sowohl die Mieteinnahmen als auch die Marktattraktivität zu steigern. Dies geschieht oft durch energetische Sanierungen oder technologische Upgrades wie z. B. einen Heizkörpertausch, Wärmepumpen und eine Photovoltaikanlage. Auf der zweiten Ebene können die vorhandenen Systeme dann genutzt werden, um ein Mieterstrommodell umzusetzen.
Wichtig dabei zu wissen: Eine Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy aus dem Jahr 2023 zeigt, dass fast zwei Drittel der Mieter Interesse an Mieterstrom haben. Konkret gaben 49,3 % an, sich die direkte Nutzung von Solarstrom vom Dach ihres Wohnhauses "auf jeden Fall" vorstellen zu können, weitere 15 % antworteten mit "eher ja".
️️▶️ Vorteil: Das Gebäude wird attraktiver, erfüllt die Anforderungen der EU-Richtlinien und wird ESG-konform. Zusätzlich kann das Wohnungsunternehmen eine neue Einnahmequelle durch den Mieterstrom dazugewinnen und als Refinanzierungsinstrument für Instandhaltungen oder Modernisierungen nutzen.
▶️ Praxisbeispiel: Eine Wohneinheit wird mit Luft-Wasser-Wärmepumpe und PV-Anlagen ausgestattet und so klimaneutral gemacht. Jetzt sind im Durchschnitt 700 € Erlöse pro Wohneinheit und Jahr durch Mieterstrom möglich.
„Neue Wege eröffnen immer die Möglichkeit zu wachsen. Die eigene Stromproduktion ist anfangs ungewohnt, aber sie bringt große Chancen – für Mieter und Vermieter gleichermaßen, sodass der neue Weg sich lohnt.“ - Tobias Voelkel, Enterprise Services, SolarEdge
Fazit zum Thema Value-Add-Strategien
Value-Add-Strategien und damit neue Geschäftsmodelle können für Wohnungsunternehmen in den nächsten Jahren ausschlaggebend werden, da sie Immobilien zukunftsfähig machen und neue Einnahmequelle für die Branche präsentieren.
Das Beispiel vom Mieterstrom haben wir in dem folgenden Whitepaper nochmal im Detail für Sie aufgearbeitet.