Mit dem neuen Koalitionsvertrag kündigt sich ein gewisser Kurswechsel an: technologieoffener, wirtschaftlicher, flexibler. Doch wie konkret sind die Vorhaben wirklich? Wo bietet der Vertrag Potenzial – und wo bleiben entscheidende Fragen offen? Hier finden Sie einen Überblick über die zentralen Aussagen des Koalitionsvertrags und ihre Bedeutung für die Wohnungswirtschaft.
Wer ist künftig zuständig? – Zwischen Verantwortung und Ungewissheit
Die Ressortverteilung innerhalb der neuen Bundesregierung steht im Koalitionsvertrag: Das Thema Energie verbleibt im Bundeswirtschaftsministerium, das künftig unter CDU-Führung steht – voraussichtlich mit Carsten Linnemann an der Spitze. Der Klimaschutz hingegen wird ins Umweltministerium überführt, das der SPD zufällt. Eine klare Trennung also zwischen Klimapolitik und Energiepolitik – mit offenem Ausgang für die konkrete Ausgestaltung.
Gerade für die Wohnungswirtschaft ist die politische Zuständigkeit entscheidend: Wer verantwortet künftige Gesetze, wer setzt Schwerpunkte bei Förderung, Technologieeinsatz und Regulierung? Solange die Ministerinnen und Minister noch nicht benannt sind, bleibt unklar, in welche Richtung sich das Zusammenspiel der Ressorts tatsächlich entwickelt.
Klimaziele und CO₂-Bepreisung: Große Linie, wenig Detail
Union und SPD bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045 – national wie europäisch. Erreicht werden soll dies durch die Vermeidung von Emissionen im Inland und durch negative Emissionen sowie durch CO₂-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern. Der zentrale Hebel dafür bleibt laut Vertrag der CO₂-Emissionshandel. Wärme und Verkehr sollen künftig Teil des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) werden – mit einem „fließenden Übergang“ ab 2026 und vollständiger Integration ab 2027.
Für die Wohnungswirtschaft bedeutet das: Der CO₂-Preis wird langfristig das wichtigste Steuerungsinstrument – mit Auswirkungen auf energetische Sanierung, Heiztechnologien und Mietkosten. Union und SPD kündigen an, die Einnahmen aus dem CO₂-Handel gezielt zur Förderung von Wohnen und Mobilität zurückzugeben. Konkrete Instrumente – etwa ein sozial gestaffelter Klimabonus – sucht man im Vertrag jedoch vergeblich.
Die DENEFF begrüßt, dass die Energieeffizienz als „tragende Säule“ explizit benannt wird, warnt aber zugleich vor den vagen Formulierungen im Bereich der CO₂-Bepreisung und der noch offenen sozialen Ausgestaltung.
Neuer Fokus im Gebäudebereich: Das GEG wird überarbeitet
Ein zentrales Signal für die Wohnungswirtschaft: Das bisherige Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll abgeschafft und durch ein neues Gesetz ersetzt werden, das technologieoffener, einfacher und flexibler gestaltet ist. Im Mittelpunkt steht künftig die „erreichbare CO₂-Vermeidung“ – nicht mehr die maximal mögliche Energieeinsparung. Außerdem sollen Quartierslösungen gestärkt werden. Ein Schritt in Richtung der Empfehlungen der “Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor”.
Die Wohnungswirtschaft reagiert positiv: Der BBU bezeichnet die Pläne zur GEG-Reform als „riesigen Schritt nach vorne“. Gleichzeitig bleibt unklar, wie stark sich der Fokus von Effizienz zu Emissionen tatsächlich verschiebt. Die DENEFF warnt vor einem unausgereiften Paradigmenwechsel: Zwar konnte ein vollständiger Rückbau der Effizienzstandards verhindert werden, doch drohen bei der konkreten Umsetzung neue Unsicherheiten – etwa bei der Einordnung bestehender Gebäude oder der Förderung von Sanierungsmaßnahmen.
Investitionen, Förderung und Digitalisierung: Auf dem Papier stark
Die Koalition stellt Investitionen in Aussicht – etwa in die Sanierung öffentlicher Gebäude – die auch Impulse für den Markt insgesamt geben könnten. Für den Gebäudebereich sind steuerliche Anreize, ein Ausbau der Förderung und zusätzliche Programme geplant. Auch der schleppende Smart-Meter-Rollout soll endlich beschleunigt werden.
Zudem will die Regierung einen Infrastruktur-Fonds auflegen, der auch den Netzausbau in bislang unterversorgten Regionen absichern soll – durch private Mittel mit staatlicher Absicherung. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, Energieversorgung, Sektorenkopplung und Digitalisierung auf ein neues Niveau zu heben.
Allerdings warnt die DENEFF davor, sich zu früh zu freuen: Viele Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt, konkurrieren mit anderen Ressorts um Mittel, und erfordern klare Priorisierungen. Ohne gezielte Interessenvertretung bestehe die Gefahr, dass ambitionierte Ziele in der Umsetzung verwässert werden.
Photovoltaik: Ausbau mit System – aber noch ohne klare Zahlen
Im Bereich der Solarenergie setzt die neue Koalition auf einen systemdienlichen Ausbau. Photovoltaik (PV) soll künftig stärker mit Speichern gekoppelt werden, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und Lastspitzen besser auszugleichen. Auch private Haushalte sollen stärker eingebunden werden – als sogenannte Prosumer, also als Erzeuger und Verbraucher zugleich. Die dazu nötigen Prozesse – etwa die Anmeldung neuer Anlagen – will die Regierung durch Digitalisierung und Standardisierung vereinfachen.
Zudem soll die Doppelnutzung von Flächen, etwa durch Agri-PV, Floating-PV oder Parkplatzüberdachungen, erleichtert werden. Für Bestandsanlagen werden neue Anreize zur netzdienlichen Einspeisung geprüft. Auch Bürgerstrommodelle und die Direktvermarktung sollen vereinfacht werden. Das Ziel bleibt: langfristig sollen sich erneuerbare Energien vollständig über den Markt refinanzieren.
Für die Wohnungswirtschaft eröffnet dies neue Möglichkeiten – etwa beim Ausbau von Mieterstrommodellen oder bei der Nutzung von Dachflächen auf Quartiersebene. Gleichzeitig fehlt im Vertrag ein konkretes Ausbauziel für die Photovoltaik – und damit auch ein klarer politischer Fahrplan für Investoren. Wichtig wird sein, dass Netze, Speicher und digitale Infrastruktur rasch mitwachsen, um das volle Potenzial der Solarenergie auch im urbanen Raum heben zu können.
Erneuerbare und Versorgungssicherheit: Viel Potenzial, viele Fragezeichen
Die Koalition kündigt einen „gesicherten Investitionsrahmen“ für erneuerbare Energien an. Gleichzeitig wird das Ziel formuliert, dass sich erneuerbare Technologien perspektivisch am Markt selbst refinanzieren sollen – ein Spagat, der nur mit stabilen Rahmenbedingungen gelingt. Konkrete Ausbauzahlen oder neue Fördermodelle fehlen bislang.
Positiv ist, dass große Speicherprojekte als „überragendes öffentliches Interesse“ eingestuft werden sollen – was Genehmigungen beschleunigen kann. Auch beim Stromnetzausbau gibt es Bewegung: Neue HGÜ-Trassen sollen, wo möglich, als Freileitung umgesetzt werden – eine teils unklare Formulierung, die von Netzbetreibern kritisch gesehen wird.
Der geplante Ausbau eines Wasserstoff-Kernnetzes, insbesondere im Osten und Süden, ist ebenfalls zu begrüßen – ebenso wie der Fokus auf regionale Wertschöpfung. Gleichzeitig bleibt offen, welche Rolle Gasnetze künftig spielen sollen und wie Versorgungssicherheit mit den Klimazielen in Einklang gebracht wird. Die Wohnungswirtschaft braucht hier Planungssicherheit – insbesondere bei der Frage, welche Infrastrukturen künftig noch tragfähig sind.
Fazit: Großer Schritt auf dem Papier – Umsetzung wird entscheidend
Der Koalitionsvertrag sendet grundsätzlich positive Signale in Richtung Wohnungswirtschaft: Die angekündigte Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes hin zu mehr Technologieoffenheit und CO₂-Fokus, die stärkere Förderung von Investitionen sowie die angekündigte Entlastung bei Energiekosten sind richtige und wichtige Schritte.
Gleichzeitig bleibt vieles vage: Die Formulierung zur „Abschaffung des Heizungsgesetzes“ schafft Unsicherheit, viele Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt, und zentrale Fragen – etwa zur Rolle der Fernwärme oder zum Mietrecht – sind noch offen. Die DENEFF warnt deshalb zu Recht: Jetzt ist der Moment, um Einfluss zu nehmen – damit die angedeuteten Fortschritte auch tatsächlich in der Praxis ankommen.
Für die Wohnungswirtschaft bedeutet das: Es gibt neue Spielräume, aber auch neue Aufgaben. Entscheidend wird sein, wie rasch und verlässlich die neue Regierung liefert – und ob sie die Branche als Partner bei der Umsetzung ernst nimmt.