Fernwärme ist ein riesiges Thema in der Wohnungswirtschaft, denn das Potential ist hoch. Das Versprechen: Die Dekarbonisierung wird über mehrere Schultern aufgeteilt und die Verantwortung und die Kosten liegen nicht mehr bei der Wohnungswirtschaft allein. Aber ist Fernwärme wirklich so vielversprechend und ist Fernwärme die Lösung für JEDES Wohnungsunternehmen? Im folgenden Blog werfen wir einen genaueren Blick auf die Hintergründe, Vor-und Nachteile und diskutieren, ob es sich lohnt auf den Fernwärmeanschluss zu warten.
Die Grundlagen: Was ist Fernwärme und warum ist sie so relevant für die Wohnungswirtschaft?
Fernwärme bezeichnet die Versorgung von Gebäuden mit Heizwärme und Warmwasser, die zentral in Heizwerken oder Kraftwerken erzeugt und über ein wärmegedämmtes Rohrleitungssystem zu den Verbrauchern transportiert werden. Die Wärme stammt häufig aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, in denen gleichzeitig Strom und Wärme produziert werden. Von Fernwärme spricht man also dann, wenn Wohnhäuser über ein Rohrleitungsnetz an eine zumeist kommunale oder verbandsgemeindliche Heizzentrale angebunden sind.
Der Unterschied zur “normalen” Versorgung ist, dass die Wärme nicht dezentral in den Häusern oder Quartieren produziert wird, sondern zentral angeliefert wird.
Fernwärme spielt schon länger eine wichtige Rolle in der Wohnungswirtschaft, da sie eine effiziente und platzsparende Heizlösung darstellt. Momentan ist Fernwärme aber vor allem deshalb relevant, weil sie, wenn sie aus erneuerbaren Energien oder industrieller Abwärme gewonnen wird, zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beitragen und somit die Klimabilanz von Wohngebäuden verbessern kann. Und das ganz ohne Modernisierungsmaßnahmen.
Ausbau der Fernwärmenetze in Deutschland
In Deutschland werden die meisten Wohngebäude dezentral beheizt. Also mit einem eigenen Wärmeerzeuger. In 45 % aller Fälle ist dabei Erdgas der Energieträger. In Ballungsräumen wie Hamburg und Berlin, aber auch Flächenländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg hat die Fernwärmeversorgung aber eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Der größte Fernwärmeanbieter in Deutschland ist so zum Beispiel die BEW Berliner Energie und Wärme GmbH. Dieses Unternehmen betreibt das größte Fernwärmenetz Westeuropas, das sich über mehr als 2.000 Kilometer erstreckt und rund 1,4 Millionen Wohneinheiten in Berlin versorgt.
Generell werden bundesweit 5,6 Millionen Wohnungen mit Fernwärme versorgt, das sind etwa 14 % der deutschen Wohngebäude. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Klimaschutzstrategie außerdem festgelegt, den Anteil der Fernwärme bis 2030 auf 30 % zu steigern. Ebenso bis zum Jahr 2030 soll die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral erzeugt werden. Die Wärmenetze sollen bis dahin zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent mit Wärme aus Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden.
Die Herausforderung beim Ausbau der Netze: In ländlichen oder weniger dicht besiedelten Regionen ist der Anschluss an Fernwärme aufgrund der hohen Investitionskosten und der geringeren Wärmedichte oft unwirtschaftlich.
Wo und wie wird Fernwärme produziert?
Fernwärme lässt sich grundsätzlich in jedem Heizkraftwerk erzeugen. Hier kann man aber noch weiter differenzieren, denn die verschiedenen Energieträger stehen auch für einen unterschiedlichen Grad an Nachhaltigkeit. Fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl sind derzeit aber noch die meistgenutzten Energielieferanten, es wird aber vermehrt mit nachhaltigeren Alternativen gearbeitet.
Bei der oben erwähntem BEW (BEW Berliner Energie und Wärme GmbH) erfolgt die Wärmeproduktion so überwiegend in KWK-Anlagen, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen. Traditionell wurden fossile Brennstoffe wie Steinkohle und Erdgas verwendet, jedoch plant die BEW, bis 2030 vollständig auf Kohle zu verzichten und den Anteil erneuerbarer Energien signifikant zu erhöhen.
Die Stadtwerke München als zweitgrößter Fernwärme Lieferant Deutschlands erzeugen derzeit den Großteil ihrer Fernwärme in energieeffizienten KWK-Anlagen. Ihr langfristiges Ziel ist es, bis 2040 den gesamten Münchner Fernwärmebedarf CO₂-neutral zu decken, wobei der Schwerpunkt auf der Nutzung von Geothermie liegt.
Vor- und Nachteile eines Fernwärmeanschlusses für die Wohnungswirtschaft
Kommen wir spezifisch zur Wohnungswirtschaft und den Vor-und Nachteilen der Fernwärme für Unternehmen in der Branche. Vorteile der Fernwärme haben wir teilweise schon erwähnt aber lassen sich in drei Bereiche zusammenfassen.
Vorteile der Fernwärme für die Wohnungswirtschaft
#1 Platz & Wartungen sparen: Da es in den Gebäuden keine Wärmeerzeuger mehr gibt, sondern nur noch Wärmeübergabestationen, entfällt der klassische Heizungskeller bzw. die Technikzentrale. Das kann, wie oben bereits erwähnt Platz schaffen und reduziert den Wartungsaufwand der Unternehmen. Die gesammelte Versorgung ist außerdem effizienter als die Einzelversorgung.
#2 Niedrige Investitionskosten: Die Wohnungswirtschaft hat niedrigere Investitionskosten beim Anschluss an die Fernwärme (im Vergleich zu einem Heizungsträgeraustausch oder Modernisierungsmaßnahmen) und muss keine Modernisierungsumlage an die Mietenden weitergeben. Das trägt zum Erhalt sozialverträglicher Mieten bei.
#3 CO2-Reduktion & Umweltschutz: Mit dem Anschluss an die Fernwärme wird die Aufgabe der Dekarbonisierung aufgeteilt, sodass die Verantwortung und Finanzierung nicht mehr bei der Wohnungswirtschaft direkt liegen. Die Unternehmen müssen mit dem Anschluss an ein Wärmenetz gemäß GEG nicht mehr nachweisen, dass die 65 Prozent EE-Forderung erfüllt wird – unabhängig von der Frage, wie hoch der Anteil Erneuerbarer Energie in dem Wärmenetz tatsächlich ist.
Die Umstellung hat außerdem zur Folge, dass es anstelle von vielen dezentralen Öl- oder Gas-Heizungen, die entsprechende Emissionen verursachen, nur noch eine Heizzentrale gibt, die idealerweise aus erneuerbaren Energien bespeist wird. Wie nachhaltig die Fernwärme aber tatsächlich ist, hängt vom Anbieter ab, was uns zu den Nachteilen bringt.
Die Nachteile bei der Verwendung von Fernwärme teilen sich wie folgt auf:
#1 Kostenumlagen: Auch die Anbieter der Fernwärme haben gewissen Auflagen für den Weg zur Klimaneutralität. Unterm Strich müssen sie ihre Netze dekarbonisieren, Fachleute schätzen die Kosten auf 2.000 bis 4.000 Euro pro Meter; je nach Dimension und Installationsaufwand des Netzes. Diese Kosten müssen über Anschluss- und Versorgungsgebühren refinanziert werden, landen also wieder auf dem Tisch der Wohnungswirtschaft. Inbesondere für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft ist die Fernwärme daher eher eine Notlösung.
#2 Monopolstellungen: Oftmals gibt es Pro Region oder Stadt nur einen Anbieter, was den Wettbewerb einschränkt. Ohne Konkurrenzdruck haben die Betreiber wenig Anreize, kostengünstige Tarife oder bessere Vertragskonditionen anzubieten. Der Fernwärmepreis ist deshalb oft höher als bei anderen Heizsystemen wie Wärmepumpen oder Gasheizungen, insbesondere in Regionen mit teurem Netzausbau. Dazu kommt, dass die Preisstrukturen schwer verständlich sind und es keine standardisierten Preismodelle gibt. Fernwärmeverträge haben zudem oft lange Laufzeiten (z. B. 10 bis 20 Jahre), sodass Wohnungsunternehmen langfristig an die Preis- und Angebotsgestaltung des Anbieters gebunden sind.
#3 Anschlusszwang: In einigen Regionen besteht außerdem eine Verpflichtung zum Anschluss an das Fernwärmenetz, was die Entscheidungsfreiheit der Eigentümer einschränken kann, und sie zwingt, die Kosten für den Anschluss an das Fernwärmenetz zu tragen und die Preisschwankungen zu tolerieren.
#4 Verspätete Emissionsfreiheit: Die Fernwärme muss erst 2045 völlig emissionsfrei sein. Für die Heizungen in Wohnungen und Häusern gelten aber schon vorher Auflagen: Ab Mitte 2028 müssen so alle neuen Heizungen zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Wie mit dieser Differenz umgegangen werden soll ist noch offen.
Was kostet Fernwärme?
Die Kosten für die Nutzung von Fern- oder Nahwärme setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen: den Anschlusskosten, einem fixen Grundpreis sowie einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis. Die Höhe der Anschlusskosten hängt vom erforderlichen Installationsaufwand ab. Besonders ausschlaggebend sind hier die Arbeiten für die Gebäudeanschlussleitung, die den Vor- und Rücklauf vom bestehenden Fernwärmenetz zur Wärmeübergabestation im Gebäude verbindet.
Nach Abschluss eines Versorgungsvertrags fällt ein jährlicher Grundpreis an, mit dem der Anbieter die verbrauchsunabhängigen Kosten für den Betrieb des Netzes deckt. Die Höhe dieses Grundpreises richtet sich üblicherweise nach der benötigten Anschlussleistung des Gebäudes und macht im Durchschnitt etwa ein Viertel der Gesamtkosten aus. Der tatsächliche Wärmeverbrauch wird über den Arbeitspreis abgerechnet. Dieser kann je nach Anbieter unterschiedlich ausfallen, liegt jedoch durchschnittlich bei etwa 15 Cent pro Kilowattstunde (kWh).
Für ein Mehrfamilienhaus mit 10 Wohneinheiten und einem durchschnittlichen Wärmeverbrauch von 70.000 kWh pro Jahr bedeutet das jährliche Gesamtkosten von etwa 10.500 Euro. Zum Vergleich: Würde dieselbe Wärmemenge durch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe erzeugt, wären die Kosten deutlich geringer. Bei einem durchschnittlichen Strompreis von 28 Cent/kWh (Stand: März 2024, Wärmepumpentarif) würden sich die Jahreskosten auf rund 6.534 Euro belaufen. Der Grund dafür ist die hohe Effizienz von Wärmepumpen: Sie erzeugen aus einer Kilowattstunde Strom etwa drei- bis viermal so viel Wärme und nutzen die eingesetzte Energie somit deutlich effektiver als konventionelle Heizsysteme.
Lohnt es sich auf den Fernwärmeanschluss zu warten, anstatt selbst in Dekarbonisierungsmaßnahmen zu investieren?
Basierend auf den oben erläuterten Vorteilen, kann Fernwärme einen bedeutenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Wohnungswirtschaft leisten, insbesondere wenn sie aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Ob es sich für Unternehmen in der Wohnungswirtschaft lohnt, auf den Fernwärmeanschluss zu warten oder sofort mit Dekarbonisierungsmaßnahmen zu beginnen, hängt aber von mehreren Faktoren ab. Hier sind die wichtigsten Überlegungen:
1. Verfügbarkeit und Ausbauplanung der Fernwärme: Falls ein Fernwärmeanschluss zeitnah geplant ist (z. B. innerhalb der nächsten 2–5 Jahre), kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, eine Übergangslösung zu wählen, die den Anschluss an das Fernwärmenetz berücksichtigt (z. B. temporäre Hybridlösungen). Wenn der Anschluss jedoch langfristig oder gar nicht realistisch ist (z. B. in ländlichen Gebieten oder Regionen mit geringen Anschlussquoten), sollte eine eigene Dekarbonisierungsstrategie vorgezogen werden.
2. CO₂-Bepreisung und Förderprogramme: Die CO₂-Bepreisung in Deutschland steigt kontinuierlich (2024: 45 €/t CO₂, bis 2026: 65–85 €/t CO₂). Wer weiterhin auf fossile Heizsysteme setzt, wird mit steigenden Kosten konfrontiert. Staatliche Förderprogramme wie die BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude) unterstützen jetzt Investitionen in Wärmepumpen, Solarthermie oder energieeffiziente Sanierungen. Wer wartet, riskiert, dass zukünftige Förderungen geringer ausfallen.
3. Langfristige Wirtschaftlichkeit: Ein Fernwärmeanschluss kann langfristig kosteneffizient sein, vor allem in Städten mit hohem Anschlussgrad. Alternative Dekarbonisierungslösungen (z. B. Wärmepumpen, Nahwärmelösungen, Geothermie) bieten jedoch mehr Unabhängigkeit von steigenden Fernwärmepreisen und können in Kombination mit Photovoltaik sehr wirtschaftlich sein.
4. Regulatorische Anforderungen und ESG-Kriterien: Die EU-Gebäuderichtlinie und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) setzen hohe Anforderungen an die Dekarbonisierung. Unternehmen in der Wohnungswirtschaft, die in den kommenden Jahren auf Klimaneutralität setzen, haben Wettbewerbsvorteile bei der Finanzierung (grüne Kredite, ESG-Investments).
Fazit: Lieber sofort Maßnahmen ergreifen oder warten?
Warten auf Fernwärme kann sinnvoll sein, wenn eine konkrete Anschlussmöglichkeit in den nächsten Jahren besteht, oder wenn Fernwärme in der Region tatsächlich klimafreundlich ist.
Jetzt selber aktiv werden lohnt sich, wenn der Anschluss ungewiss oder erst langfristig möglich ist, Unternehmen von steigenden CO₂-Kosten betroffen sind oder Fördergelder für alternative Lösungen genutzt werden können.
Empfehlung: Unternehmen in der Wohnungswirtschaft sollten sich nicht ausschließlich auf Fernwärme verlassen, sondern aktiv Hybrid- oder Alternativlösungen prüfen (z. B. Wärmepumpen), um frühzeitig Kostenrisiken für die Mieter zu reduzieren und langfristig unabhängiger von Preisentwicklungen zu werden. Fernwärme kann vor allem im innerstädtischen Bereich eine attraktive Lösung sein, sollte jedoch nie als einzige Lösung verfolgt werden.
Das Thema Fernwärme inklusive der Vor-und Nachteile haben die Experten von Ampeers Energy auch im Webinar “Verlässliche Energieversorgung & bezahlbaren Wohnraum, ein Wiederspruch?” besprochen. Den Link zur Aufzeichnung finden Sie hier ⤵️