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Dekarbonisierung
2022-10-03  |  Dr. Karsten Schmidt

Grüne Immobilien mit Profit

Inflation, Energiekrise, Investitions- und Konsumzurückhaltung – die Situation der deutschen Wirtschaft ist dramatisch und besorgniserregend. Gleiches gilt aber auch für den Zustand unseres Planeten. Diese Situation birgt eine reale Gefahr: Dass wir Umweltschutz und wirtschaftlichen Pragmatismus als Gegensätze verstehen, Klimaziele in dieser Krisensituation vernachlässigen, die Lage der deutschen Wirtschaft instrumentalisieren, um bei den Klimazielen nachlässiger zu werden. Doch die Grundhaltung muss eine andere sein: Wir können wirtschaftliches Wachstum und effizienten Umweltschutz verbinden. Der Immobiliensektor kann hier als Blaupause dienen: Massive CO2-Einsparungen und Profitabilität gehen Hand in Hand. Doch dafür müssen wir die Strom- und Wärmeversorgung neu denken.

Zunächst zur Ausgangslage: 120 Millionen Tonnen CO₂! So viel emittiert der Immobiliensektor jedes Jahr in Deutschland. Weltweit ist er für rund ein Drittel der CO₂-Emissionen verantwortlich. Doch ebenso gilt: Über 90 Prozent CO₂-Einsparung sind heute schon möglich. Gleichzeitig lassen sich mit der Dekarbonisierung von Liegenschaften auch noch Geschäftsmodelle verbinden, die Renditen von bis zu 10 Prozent bringen.

Fangen wir mit den reinen CO₂-Einsparungen an und der Frage, wie wir einen der größten Emittenten von klimaschädlichen Gasen auf die richtige Spur bringen. Wir haben heute bereits die notwendigen Technologien: Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen, Speicher. Wir gehen aber mit den damit verbundenen Möglichkeiten schlicht weg nicht intelligent um.

Sektorenkopplung denkt Strom und Wärme ganzheitlich

Noch immer denken wir nicht ganzheitlich und verschenken Potenziale. Wenn wir Energiebedarf und Energieerzeugung weiter isoliert betrachten sowie die Strom- und Wärmeseite nicht gemeinsam in den Blick nehmen, hat das zur Folge, dass der Eigenverbrauch der lokal erzeugten Energie gering bleibt. Wir sehen immer noch zu oft, dass die Energie der eigenen PV-Anlage ins Netz eingespeist wird, während Wärmepumpen oder E-Fahrzeuge den Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen. So verschenken wir die massiven Potenziale einer signifikanten CO₂-Minderung. Noch bedeutender sind an diesem Punkt die positiven wirtschaftlichen Folgen. Ein Rechenbeispiel: Strom, der aus dem öffentlichen Netz bezogen wird, kostet 40 Cent pro kWh. Dagegen liegen die PV-Gestehungskosten derzeit zwischen 8 und 10 Cent, die maximale Einspeisevergütung bei 8 Cent. Eigenverbrauch ist also mehr als wirtschaftlich.

Um dabei das volle Potenzial auszuschöpfen, braucht es ein smartes Energiemanagement. Eines, dass die einzelnen Sektoren miteinander vernetzt. Das bedeutet, dass wir bei der Wärmeplanung auch die Potenziale einer PV-Anlage einbeziehen. Das bedeutet auch, dass wir bei PV-Projekten den Energieverbrauch intelligent steuern. Dafür gibt es schon heute Lösungen:

Wir können mit Software-basierter Steuerung erreichen, dass Energiemengen, die mit dem Netz ausgetauscht werden, minimiert werden. Das geschieht beispielsweise durch die Berücksichtigung von Wetterprognosen und Nutzungsprofilen. Denn am Ende des Tages ist die Frage, wie lange und intensiv die Sonne scheint absolut relevant, genauso wie die einzelnen Nutzerprofile, die in die Optimierung einbezogen werden. Beispielsweise gibt es Zeiten, in denen Wohnanlagen kaum Energie verbrauchen, weil die Bewohner am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Kindergarten sind. Wenn wir diese Faktoren einbeziehen, können Vorgaben berechnet werden, wann etwa die Wärmepumpe den Speicher füllen soll.

Die Elektrifizierung der Wärmeversorgung ist der Schlüssel

Der Kerngedanke ist also, dass wir die Wärmeseite elektrifizieren. Durch diese Sektorenkopplung schaffen wir es, fossile Brennstoffe, die etwa 70 Prozent der Emissionen einer Immobilie ausmachen, signifikant nach unten zu drücken. 

Die dafür notwendigen Investitionen wiederum können selbst refinanziert werden. Wichtig ist dabei, eine möglichst hohe Strommenge zu produzieren. Diese wird jedoch nicht ins öffentliche Stromnetz eingespeist, sondern an die Nutzer der Immobilie verkauft – im Rahmen von geeigneten Geschäftsmodellen, wie Mieterstrom oder dem Verkauf von Ladestrom für E-Autos. Die dadurch erwirtschafteten Gewinne können dann zur Refinanzierung von Modernisierungsmaßnahmen eingesetzt werden.

Doch leider verfängt dieser ganzheitliche Gedanke noch nicht überall, obwohl die Wirkungsfähigkeit des Konzepts mehrfach bewiesen wurde. Es ist heute möglich, gleichzeitig über 90 Prozent CO₂-Einsparung, stabile Energiepreise sowie eine Refinanzierung der Investitionen durch Mieterstrommodelle oder E-Mobilität mit bis zu 10% Rendite zu erreichen.

Wir müssen sinnvollere politische Weichenstellungen vornehmen

Doch leider werden von politischer Seite die Weichen noch immer nicht richtig gestellt. Das ist kein pauschales Politik-Bashing – im Gegenteil: Viele Fördermaßnahmen gehen in die richtige Richtung. Aber: Wir haben derzeit eine Situation, bei der die Sektorenkopplung ein Stück weit konterkariert wird. Denn die Einspeisung des lokal produzierten Stroms wird stärker subventioniert als der Eigenverbrauch - und das nur bei Volleinspeisung. Das heißt: Die Subventionierung bewirkt, dass der Strom nicht für die Wärmepumpe verwendet wird. Das macht den Wärmebetrieb unwirtschaftlich und erhöht darüber hinaus die Nebenkosten der Mieter:innen. Es ist unbestritten, dass die Novellierung des Erneuerbaren-Energie-Gesetztes (EEG) 2023, die erlaubt, Einspeisung und Eigenverbrauch zu kombinieren, ein sinnvoller Schritt ist. Und auch die darin enthaltene gestiegene Vergütung für die Weitergabe dieses Stroms ins öffentliche Netz ist zu begrüßen. Aber die Differenz zum Marktpreis ist noch immer zu hoch – und das muss sich ändern.

Wir haben es in der Hand: Wir können heute schon massive CO₂-Minderungen im Immobiliensektor erreichen und wirtschaftlich davon profitieren. Selbst ein kühl kapitalistisch handelndes Unternehmen wie BlackRock hat erkannt: Carbon risk = economical risk. Diesen Weg müssen wir entschlossen gehen. Und gerade die Immobilienbranche, die in weiten Teilen viel zu lange inaktiv war, kann eines beweisen: Dass auch in Krisenzeiten Umweltschutz und wirtschaftliche Prosperität keine Gegensätze sind.