Die CO₂-Steuer wird seit 2021 als zusätzliche Abgabe auf jede in Gebäuden ausgestoßene Tonne CO₂ erhoben. Bislang konnten Vermieter:innen die Kosten dafür vollständig auf die Nebenkostenabrechnung der Mieter:innen umlegen. Mit der am 25. November 2022 erfolgten Zustimmung zum „Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz“ (CO2KostAufG) steht fest: Auch Vermieter:innen werden künftig an den Kosten der CO₂-Steuer beteiligt. Ab dem 1. Januar 2023 gilt, dass für Vermieter:innen die CO₂-Steuer umso höher wird, je weniger klimafreundlich die vermietete Immobilie ist. Das Gesetz sieht insgesamt zehn Stufen für die Beteiligung von Vermieter:innen vor. Im günstigsten Fall liegt der Kohlendioxidausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr bei weniger als 12 Kilogramm. Dann werden Vermieter:innen nicht an der Zahlung der CO₂-Steuer beteiligt. Bei einem Emissionswert von mehr als 52 Kilogramm pro Quadratmeter erwartet Vermieter:innen jedoch eine Kostenübernahme von bis zu 95 Prozent.
Gerade für Immobilienunternehmen mit vielen unsanierten Wohnungen wird es also teuer. Schon ab 5000 Wohneinheiten der schlechtesten Energieeffizienzklasse im Portfolio kommen schnell Steuerabgaben in Millionenhöhe auf die Unternehmen zu. Und das Jahr für Jahr. Die Größe des CO₂-Fußabdrucks von Gebäudebeständen bestimmt ab 2023 damit mehr und mehr über die Gewinne, die mit Immobilien zu erzielen sind. Unstrittig ist dabei, dass die energetische Sanierung von Wohnungen mit Investitionen verbunden ist. Da Unternehmen sich am Gewinn orientieren, liegt es nahe, die möglichen Ausgaben für die Sanierung mit den zu erzielenden Einsparungen zu verrechnen. Doch Passivität an dieser Stelle wird die betroffenen Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Der Begriff Attentismus stammt ursprünglich aus der Politologie, hat aber auch längst seinen Platz in der Wirtschaft gefunden. Er bezeichnet ein untätiges, abwartendes Verhalten in Situationen, in denen zwar bereits Handlungsbedarf – etwa durch neue gesetzliche Regelungen – besteht, zugleich aber auch Vorteile durch das Abwarten zu erzielen sind. Das Problem des (ökonomischen) Attentismus ist, dass die kurzfristig höheren Gewinne, die aus dem Abwarten resultieren, langfristig teuer zu stehen kommen. Genau dieses Szenario zeichnet sich für den Attentismus bei der Sanierung von Immobilien mit hohem CO₂-Ausstoß deutlich ab. Denn nicht nur die jährlich anwachsende CO₂-Besteuerung erhöht den Druck auf Vermieter:innen zur energetischen Sanierung. Auch die EU-Taxonomie bringt Immobilienunternehmen in Zugzwang.
Energetische Sanierungen führen zu niedrigeren CO₂-Steuern
Die EU-Taxonomie ist ein Instrument der Politik zur Durchsetzung des European Green Deals und verpflichtet Finanzmarktteilnehmer, kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Property- und Facility Manager offenzulegen, wie nachhaltig und klimaneutral ihre Investitionen und Projekte sind. Auf Gebäude bezogen bedeutet das, es ist bekanntzugeben, ob sie den ambitionierten europäischen Kriterien für Klimaschutz entsprechen. Ist das der Fall, können Investition und Projekte als „grün“ und damit EU-Taxonomie konform eingeordnet werden. Das hat Folgen auch für all jene Akteure der Immobilienbranche, die nicht verpflichtet sind, selbst Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Denn der Wert einer Immobilie wird sich zukünftig stets danach bemessen, ob das Gebäude im Rahmen der EU-Taxonomie als „grün“ eingeordnet werden kann.
Das ist zum einen wichtig, wenn Immobilien veräußert werden sollen. Zum anderen ist davon auszugehen, dass Immobilienunternehmen mit geringem Anteil an „grünen“ Gebäuden im Portfolio nur noch schwer an bezahlbare Kredite kommen. Die Immobilien könnten mangels Kaufinteressenten als „Stranded Asset“ enden.
Was sich hier gerade im Markt tut, zeigt das Beispiel Vonovia: Das Unternehmen gab kürzlich bekannt, 1,5 Milliarden Euro für fast 5 Prozent Zinsen zu refinanzieren, um alle Finanzierungen, die Ende 2024 fällig werden, abzulösen. Noch im März konnte Vonovia Kredite für knapp 1,9 Prozent Zinsen refinanzieren. Immobilienunternehmen, die mit energetischen Sanierungen jetzt noch abwarten, handeln sich daher absehbar schmerzhafte Wertverluste ein.
Intelligente Sektorenkopplung bringt Gewinne statt Wertverlust
Wäre es also nicht am besten, jetzt schnellstmöglich Objekte mit hohem CO₂-Ausstoß zu verkaufen? Die klare Antwort lautet: Nein. Denn mittel- und langfristig eröffnen sich mit einer Sanierung neue Geschäftsmodelle. Möglich wird das durch intelligente Sektorenkopplung. Vor Ort erzeugter PV-Strom kann so in der Liegenschaft sowohl für das Wärmekonzept genutzt werden als auch etwa für Mieterstrom oder das Laden von E-Fahrzeugen. Die Weichen für den Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand sind also gestellt. Wer stehenbleibt, droht langfristig abgehängt zu werden. Es ist daher genau jetzt die richtige Zeit, alle notwendigen Maßnahmen zur Klimaneutralität des eigenen Gebäudeportfolios in Gang zu setzen.