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Finanzierung
Dekarbonisierung
2024-07-16  |  Sina Kaye Lockley

Kreditvergabe in der Wohnungswirtschaft: Bessere Kredite mit einer Klimastrategie?

Sebastian Krieger, Leitung Wohnungsunternehmen NRW bei Deutsche Kreditbank AG Berlin im Interview

Deutsche Bank legt eigenen Klimaplan vor” – so titelte das Handelsblatt schon Ende 2023. Auf den ersten Blick hat das noch nichts mit der Wohnungswirtschaft zu tun. Auf den zweiten Blick aber sehr viel.  

Kurz erklärt: Auch Banken wollen (und müssen) bis 2050 klimaneutral werden. Ein zentraler Faktor dafür ist das Kreditgeschäft. Denn die Finanzierung von anderen Unternehmen erzeugt einen großen Teil der CO2-Emissionen der Banken. Während der eigene Geschäftsbetrieb der Deutschen Bank 2022 so 0,06 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente verantwortete, waren es im Bereich Unternehmensdarlehen 30,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Als Resultat legt die Deutsche Bank Entwicklungsziele für besonders energieintensive Branchen fest. In der Zementbranche plant die Bank zum Beispiel eine CO2-Verringerung von 29 Prozent bis 2030 und 98 Prozent bis 2050. 

Heißt auch: Die Klimapfade der Unternehmen sind jetzt für Banken von Interesse. Noch verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass viele Banken die von der Finanzaufsichtsbehörde Bafin 2019 herausgegebenen ESG-Kriterien einhalten wollen. Welchen Effekt das auf die Kreditvergabe in der Wohnungswirtschaft hat, war bisher aber noch nicht klar. Die Theorie: Unternehmen, die einen Klimapfad vorweisen können und damit zeigen, dass sie zukünftig einen geringeren CO2-Fußabdruck haben werden, könnten von Banken in der Kreditvergabe bevorzugt werden.

Sebastian Krieger, Leitung Wohnungsunternehmen NRW bei Deutsche Kreditbank AG Berlin stand uns im Interview Rede und Antwort um zu klären, inwieweit diese Theorie in der Praxis stattfindet.  

Aus der Praxis: Kreditvergabe für Wohnungsunternehmen bei der Deutschen Kreditbank AG 

Hallo Herr Krieger! Wie bewerten Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage im Bereich der Wohnungswirtschaft? 

Diese Frage ist pauschal schwer zu beantworten, da die Unternehmen der Wohnungswirtschaft sehr unterschiedlich in Bezug auf Größe, Wirtschaftsgebiet (also Standorte des Gebäudebestands), Qualität des Gebäudebestands, Eigenkapitalausstattung und Management / Strategie sind. Zudem gibt es entscheidende Unterschiede dahingehend, ob es sich z.B. um ein genossenschaftliches oder um ein Wohnungsunternehmen mit kommunalem Gesellschafterhintergrund handelt.  

Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei der Kreditvergabe Ihrer Bank? Wie wird sich das in Zukunft verändern? 

Nachhaltigkeitsaspekte werden mit Blick auf strategische Unternehmensentscheidungen immer wichtiger – sowohl für die Kreditgeber als auch für die Wohnungswirtschaft. Reportingpflichten nehmen für alle Marktteilnehmer zu und rücken die Transformation des Gebäudebestandes noch stärker in den Fokus. Die Regulatorik wird in Zukunft eher zunehmen, daher sollten sich sowohl Banken als auch Kreditnehmer auf weiter steigende Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeitsdaten im Zusammenhang mit Kreditvergaben einstellen.  

Viele Wohnungsunternehmen sorgen sich darum, die Dekarbonisierungsmaßnahmen wie zum Beispiel die Umstellung auf PV-Anlagen und Wärmepumpen, nicht finanzieren zu können. Was sagen Sie dazu?  

Die Aufgaben der Wohnungsunternehmen könnten aktuell nicht größer sein und es besteht ein Zielkonflikt zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und der sozialen Frage der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Für die Wohnungswirtschaft bedeutet das konkret: CO2-Emissionen senken, klimafreundliche Baustoffe entwickeln, Bestand energetisch sanieren und aufwerten und trotz allem Wohnraum zu bezahlbaren Mieten anbieten. Die nachhaltige Transformation ist in finanzieller Sicht eine Mammutaufgabe.  

Welche Daten sollten Wohnungsunternehmen 2024 bei Finanzierungsanfragen bereitstellen können?  

Wohnungsunternehmen sollten im Rahmen einer Finanzierungsanfrage grundsätzlich in der Lage sein, Aussagen über die Clusterung des Gebäudebestandes nach Energieeffizienzklassen und den CO2-Ausstoß des Portfolios geben zu können und aufzeigen, welche Ziele zur Reduktion von Emissionen und Bestandsverbesserungen in Zukunft geplant sind. Der Energieausweis ist zur Beschreibung der energetischen Gebäudequalität das obligatorische „Königsdokument“ und wird im Kreditprozess künftig entscheidungs- oder sogar auszahlungsrelevant sein.

Darüber hinaus sind auch künftige Entwicklungen wie beispielweise die Wirkung transitorischer Risiken oder bei Neubau und Sanierung physische Risiken, Lebenszyklus, Kreislaufwirtschaft oder Baumaterialien im Bewertungs- und Kreditentscheidungsprozess zu berücksichtigen. Klima- und Umweltrisiken können den Sicherheitenwert von Immobilien negativ beeinflussen und somit mögliche Spielräume einer Beleihung für Kreditaufnahmen mindern.

Aus diesem Grund sollten Wohnungsunternehmen den Ausbau von Steuerungsprozessen zur Identifikation von ESG-Risiken im Bestand und die Implementierung eines entsprechenden Datenhaushalts vorantreiben und zum festen Bestandteil der Unternehmensstrategie machen, um im Rahmen der Finanzierung von Transformationsmaßnahmen auf künftige Anforderungen der Finanzwirtschaft vorbereitet zu sein.  

Wie wichtig ist es, dass die Unternehmen Refinanzierungsmöglichkeiten wie Mieterstrommodelle mitgedacht haben?  

Mieterstrommodelle können ein zusätzlicher Baustein sein, die Aufgaben aus dem Transformationsprozess mitzufinanzieren und Betriebskosten für Mieter zu senken.  

Vervollständigen Sie den folgenden Satz: Die Finanzierung von Dekarbonisierungsmaßnahmen ....  

... kann nur gelingen, wenn Wohnungswirtschaft, Dienstleister und Finanzwirtschaft gemeinschaftlich agieren, sich austauschen und für die (regulatorischen) Anforderungen des jeweils anderen ein gemeinsames Verständnis entwickeln und die erforderlichen Daten für den Kreditentscheidungsprozess bereitgestellt werden. Als Bank arbeiten wir aktuell daran, gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft und weiteren Partnern die neuen regulatorischen Anforderungen in handhabbare Prozesse zum Datenaustausch zu übersetzen.  

Vielen Dank für das Interview!  

Sebastian Krieger war auch Teil der Panel-Diskussion "Finanzierung der Dekarbonisierung – So bleibt die Wohnungswirtschaft profitabel" deren Aufnahme Sie sich hier herunterladen können.

Panel-Aufzeichnung ansehen